Art-Déco-Keramik

2025 wird das 100-jährige Jubiläum der Internationalen Kunstgewerbeausstellung (Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes) gefeiert. Die Ausstellung fand 1925 in Paris statt und markierte den Beginn einer neuen Kunstbewegung, des Art Déco.

Eine Reihe von Vasen in den Sammlungen des Grand Curtius zeugt von der Erfolgsgeschichte der Manufaktur Keramis und ihres Designers Charles Catteau (1880, Douai – 1966, Nizza). Die Zusammenarbeit begann im Jahr 1906, als Catteau nach La Louvière zog, um als Designer und Dekorationsmaler bei Boch Frères Keramis, einem der größten Keramikhersteller Belgiens, anzufangen.

Innovationen unter der Leitung von Charles Catteau 

Bald übernahm der Keramikingenieur die Leitung des „Atelier de Fantaisie“, der Abteilung für alles, was nicht unter Tafelgeschirr oder Toilettgarnituren fiel. Catteau brachte frischen Wind in die Produktion von Keramis: Die noch vom Jugendstil beeinflussten Formen und Dekore gingen in der Zwischenkriegszeit dann zu einer stärkeren geometrischen Stilisierung über. Die Einflüsse sind vielfältig und reichen von der afrikanischen Kunst über den Kubismus bis hin zur japanischen, chinesischen und ägyptischen Kunst sowie zum antiken Griechenland. Dank Catteaus Innovationen bei Dekoren und der Zusammensetzung von Farben, Tonmassen und Glasuren produzierte die Manufaktur bald in industriellem Maßstab Steinzeug- und Feinkeramik im Art-déco-Stil. Dabei erreichte sie eine Qualität und Ästhetik, die mit handwerklich gefertigten Stücken durchaus vergleichbar war. 

Ab 1922 produzierte Boch Frères Keramis für wichtige Pariser Kaufhäuser, darunter La Maîtrise (Galeries Lafayette), gefolgt von Pomone (Au Bon Marché) und Primavera (Le Printemps). Die Teilnahme an der Internationalen Kunstgewerbeausstellung in Paris im Jahr 1925 (Catteau wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet) und an der Internationalen Ausstellung in Lüttich im Jahr 1930 waren wichtige Meilensteine für das Unternehmen. 

Im Laufe der 1930er-Jahre veränderte sich die Nachfrage nach Keramikobjekten: Die geometrische Stilisierung wich allmählich wieder einem Naturalismus, und klassizistische Formen kehrten zurück. Nach 1935 trat Catteau beruflich etwas kürzer, blieb aber bis zu seiner Pensionierung 1946 im Dienst des Unternehmens.

Drei Schaffensphasen

Die zeitliche Einordnung der Vasen gestaltet sich oft schwierig, da datierte Stücke selten sind. Dank der umfangreichen, erhaltenen Dokumentation (einschließlich Zeichnungen, Gravuren, Punzierungen und Notizen) sowie vor allem der Nummerierung der verschiedenen Dekore konnte jedoch eine Chronologie ihrer Entstehung erstellt werden. Die Dekore hatten jedoch eine lange Lebensdauer, und die Vasen wurden häufig über mehrere Jahre hinweg produziert.

Die Feinsteinzeugvase mit Früchtefries und blauen Streifen trägt die Dekornummer D745. Die erste Produktion dieses Dekors datiert auf das Jahr 1923. Die schlichte, elliptische Vase (Form F899) ist in weißer Grundfarbe mit Craquelé-Effekt gestaltet. Dieses Dekor zählt heute zu den bekanntesten von Catteau. Er experimentierte mit verschiedenen Techniken, um es harmonisch auf unterschiedlich geformte Objekte wie Vasen, Bonbonnieren und Schalen aufzubringen. 

Ganz anders verhält es sich bei den beiden anderen Feinsteinzeugvasen mit seltenen Dekoren. Bei der Vase in oktogonaler Form – einer entschieden modernen, aber bei Keramis selten verwendeten Gestaltung – verbindet sich das geometrische grafische Dekor von 1929 (D1285, F1070) mit einer Palette erdiger, matter Glasurfarben und grünen Akzenten. Hier dominiert der Einfluss der Abstraktion. Ein identisches Exemplar dieser Vase war 1930 auf der Internationalen Ausstellung in Lüttich am Standort Droixhe ausgestellt worden.

Hirsche und Rehe sind ein beliebtes Motiv im Art déco. Rehe (oder „Damhirsche“) tauchen schon früh in Catteaus Repertoire auf und, als direkte Folge ihres Verkaufserfolgs, in fast dem gesamten Formenspektrum (Teller, Aschenbecher, Schalen, monumentale Vasen usw.). Er wandelt das Motiv dann in verschiedenen Varianten ab. Diese Tiere werden meist in glänzend blauer Glasur dargestellt. Diese besondere Variante in matten, wassergrünen Tönen ist jedoch später entstanden. Das Dekor kann auf das Jahr 1932 datiert werden (D1553, F1193). Diese Vase markiert bereits den Beginn der Nach-Art-déco-Periode und eine progressive Hinwendung zu einem wieder naturalistischeren Stil, ohne jegliche Umrisslinien. Die Silhouetten sind dennoch stets vereinfacht und zeigen eine Dynamik, die die zerlegten Bewegungsphasen eines Rehs in endlosem Lauf evoziert.

Carmen Genten

Konservatorin der Abteilung für dekorative Kunst, Grand Curtius

Aufstellungsort

Die Ausstellungsstücke sind im Schaukasten des Exponats des Monats zu sehen. Eingangsbereich des Museums Grand Curtius in Lüttich.

Bibliografie

Allard Dominique (Hg.), Catteau. Donation Claire de Pauw - Marcel Stal, Fondation Roi Bauduin, Brüssel, 2001.

Marc Pairon (Hg.), Art Deco Ceramics Made in Belgium: Charles Catteau, Fondation Charles Catteau, Aartselaar, 2006.

Beschreibung der Vasen (von links nach rechts)

Vase – Feinsteinzeug

Dekor aus dem Jahr 1923

Sammlung Grand Curtius, Lüttich (Inventar-Nr. 91/4)

Schenkung von Frau Rossion, 1991 

Oktogonale Vase – Feinsteinzeug

Dekor aus dem Jahr 1929

Sammlung Grand Curtius, Lüttich (Inventar-Nr. 87/28)

Vase mit Damhirschmotiv – Feinsteinzeug

Dekor aus dem Jahr 1932

Sammlung Grand Curtius, Lüttich (Inventar-Nr. 88/7)

Weitere Informationen finden Sie auf der Website Liège Musées zu den Sammlungen.